Bitte beachten Sie, dass Gesundheitsinformationen die Gespräche mit Psychotherapeut*innen oder Ärzt*innen immer nur unterstützen, aber niemals ersetzen können.

Was sind Somatoforme Störungen?

Der Begriff „Somatoforme Störungen“ beschreibt eine Gruppe von verschiedenen psychischen Erkrankungen. Ein wesentliches Merkmal sind unklare körperliche Beschwerden.

„Unklar“ bedeutet, dass durch medizinische Untersuchungen keine körperliche Ursache festgestellt werden konnte, die das Ausmaß der Beschwerden ausreichend erklärt. Neben Schmerzen in verschiedenen Körperteilen (z. B. Rücken, Bauch, Kopf oder Gelenken) können auch Schwindel, Verdauungsbeschwerden oder Herz- und Atembeschwerden auftreten.

Fast alle Menschen erleben in ihrem Alltag zuweilen irgendwelche unklaren körperlichen Symptome. Erst wenn diese über einen längeren Zeitraum anhalten, zu deutlichem Leid führen und den Alltag der betreffenden Person erheblich beeinträchtigen, ist die Rede von einer Somatoformen Störung. Oft wird auch der Begriff Somatisierungsstörung, Funktionelle Störung oder seit kurzem Somatische Belastungsstörung verwendet.

Die Somatoforme Störung ist durch ein oder mehrere körperliche Symptome gekennzeichnet, die mit erheblichem Leid, Sorgen und Funktionsschwierigkeiten im Alltag einhergehen. Die Beschwerden dauern mindestens über einen Zeitraum von 6 Monaten an.

 

Wie häufig sind Somatoforme Störungen?

Somatoforme Störungen gehören zusammen mit Depressionen und Angststörungen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen in Deutschland. Etwa 12 von 100 Menschen leiden mindestens einmal im Leben unter einer Somatoformen Störung. Frauen sind doppelt so häufig betroffen wie Männer.

Gibt es unterschiedliche Formen oder Verläufe?

Es existieren unterschiedliche Formen Somatoformer Störungen. So gibt es Patient*innen, die unter sehr vielen unterschiedlichen unklaren Körperbeschwerden leiden. Sie klagen zum Beispiel über Schmerzen, Verdauungsbeschwerden (z. B. Durchfall) und Herz-/Kreislaufstörungen (z. B. Herzrasen). Meist dauern diese Beschwerden schon über mehrere Jahre an. Hierbei handelt es sich um eine Somatisierungsstörung

Anders hingegen ist die Schmerzstörung, bei der starke und oftmals anhaltende Schmerzen in einer bestimmten Körperregion bestehen. Häufig wurde zunächst eine körperliche Ursache ermittelt (z. B. ein Bandscheibenvorfall). Die Schmerzen bleiben jedoch weiterhin bestehen, auch wenn die körperliche Ursache behoben wurde (z.B. durch eine OP).

Bei einer Hypochondrischen Störung quält die betroffene Personen die Angst, an einer schweren Krankheit zu leiden (z. B. Krebs). Vorhandene Körperbeschwerden werden als Anzeichen der jeweiligen Krankheit gedeutet. Medizinische Untersuchungsergebnisse, die gegen das Vorliegen der befürchteten Erkrankung sprechen, können die Angst nur kurzzeitig lindern.

Wie entstehen Somatoforme Störungen?

Bei der Entstehung einer Somatoformen Störung gibt es nicht nur eine bestimmte Ursache. Vielmehr handelt es sich um ein Zusammenspiel von verschiedenen Faktoren, die über mehrere Jahre wirken.

Mögliche Faktoren können sein:

Zusammenspiel von Körper und Seele: Bei Somatoformen Störungen werden „normale Körperprozesse“ verstärkt wahrgenommen und als Anzeichen einer körperlichen Erkrankung gesehen. Meist gibt es einen individuellen Auslöser (z. B. Stress, belastende Lebenssituation), der zu einer normalen körperlichen Reaktion führt. Das Herz schlägt schneller, man verspannt sich oder hat einen nervösen Magen. Manche Menschen fragen sich dann: „Was bedeutet das? Welche Krankheit habe ich?“ Die Folge: Je intensiver die Person ihre Aufmerksamkeit auf die Beschwerden lenkt, desto stärker werden sie. 

Um der Ursache auf den Grund zu gehen, werden häufig wiederholt Ärzt*innen zu Rate gezogen. Doch auch das positive Ergebnis, dass keine körperliche Erkrankung besteht, beruhigt die Betroffenen nicht. Vielmehr fühlen sie sich in ihrer Vermutung bestätigt: „Wenn sich die Ärzte immer wieder Zeit für mich nehmen, ist sicherlich etwas nicht in Ordnung.“

Oft erhalten die Patient*innenen von Ärzt*innen verschiedener Fachgebiete (z.B. Neurolog*innen, Orthopäd*innen) unterschiedliche Diagnosen, die keine umfassenden Erklärungen für die Beschwerden liefern und zunehmend beunruhigen.

Viele Menschen tendieren auch dazu, sich zu schonen. Sie meiden körperliche Aktivität, um die Beschwerden zu lindern. Dies kann kurzfristig auch gelingen, auf lange Sicht aber führt dieses Vermeidungsverhalten zu einer schlechteren körperlichen Verfassung und somit zu weiteren Missempfindungen. Durch diesen Kreislauf können sich die Beschwerden über Jahre immer weiter verschlimmern und das Leben der betroffenen Personen stark beeinträchtigen.

Es gibt auch Hinweise darauf, dass eine genetische Veranlagung und traumatische Erlebnisse in der Kindheit das Risiko erhöhen. Seelisches Befinden und körperliche Vorgänge sind sehr eng verbunden, unter anderem über Stresshormone und über das vegetative Nervensystem. Lang anhaltende Körperbeschwerden können selbst zu einer seelischen Belastung werden. Dann ist es oft gar nicht mehr hilfreich, die „eine“ Ursache zu suchen.

Letztlich führen unterschiedliche körperliche, seelische und soziale Umstände dazu, dass manche Menschen eine Somatoforme Störung entwickeln und die Beschwerden fortbestehen.

Was kann man tun, um vorzubeugen?

Es ist empfehlenswert, beim Auftreten von Körperbeschwerden gemeinsam mit dem Hausarzt frühzeitig neben körperlichen, auch seelische Ursachen zu bedenken: „Gibt es in meinem Leben aktuell Belastungen, die der Grund für meine Beschwerden sein könnten?“ Zunächst alle möglichen Körpererkrankungen ausschließen zu wollen, birgt die Gefahr, nie ans Ziel zu kommen. Manche Untersuchungen stellen außerdem Eingriffe dar, die selbst zu neuen Beschwerden führen können.

Wie findet man heraus, ob man eine Somatoforme Störung hat?

Bei Körperbeschwerden ist der Hausarzt der erste Ansprechpartner. Dieser wird betroffenen Personen zunächst gründlich untersuchen oder bereits vorliegende Befunde besprechen. Liegt keine körperliche Erkrankung vor, die die Beschwerden ausreichend erklärt, ist ein diagnostisches Gespräch bei Facharärzt*innen für Psychosomatische Medizin oder Psychiatrie oder einer*m Psychotherapeut*in sinnvoll. Dieser befragt den Patienten ausführlich zu seinen Beschwerden und seiner aktuellen Lebenssituation. Unklare Körperbeschwerden treten oftmals auch als Begleiterscheinungen von anderen psychischen Erkrankungen (z. B. Angsterkrankungen, Depressionen) auf. Daher wird auch geklärt, ob die Beschwerden vielleicht auf eine andere psychische Erkrankung hinweisen.

Wie werden Somatoforme Störungen behandelt?

Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass Psychotherapie bei Somatoformen Störungen wirksam ist. Sie hilft dem Patient*innen zu lernen, wie er mit seinen körperlichen Beschwerden umgehen und ihren Alltag wieder besser bewältigen kann. 
Einzelne Elemente in der Therapie können sein:

  • die eigenen Beschwerden und ihre Entstehungsprozesse besser zu verstehen und einzuordnen,
  • durch die Veränderung von gedanklichen Bewertungen und Gefühlen einen hilfreicheren Umgang mit den Körperbeschwerden zu finden,
  • den Körper trotz Beschwerden langsam wieder mehr zu belasten und aktiv zu werden,
  • durch gezielte Strategien wie Aktivierung, Stressbewältigung und Achtsamkeitstraining die Beeinträchtigung durch Körperbeschwerden zu reduzieren.

Auch Medikamente (Psychopharmaka) können unter bestimmten Voraussetzungen helfen. Ob und welche Medikamente in der Behandlung eingesetzt werden, wird zwischen Ärzt*inn und Patient*in abgestimmt. 

Betroffene Personen mit leichteren Beschwerden können zunächst gut vom Hausarzt betreut werden. Hausärzte mit der Zusatzqualifikation „Psychosomatische Grundversorgung“ sind hierfür besonders geschult. Der Hausarzt bleibt stets erster Ansprechpartner für die Beschwerden, indem er Untersuchungen und Behandlungen aufeinander abstimmt. Falls die hausärztliche Behandlung alleine nicht ausreicht, sind Fachärzt*innen für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie oder Psychotherapeut*innenen richtigen Ansprechpartner. 

Sowohl für eine ambulante Einschätzung als auch für eine stationäre Behandlung stehen in Hamburg zwei psychosomatische Kliniken zur Verfügung: die Universitäre Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie mit ihrer Ambulanz im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und dem stationären Bereich in der Schön Klinik Hamburg Eilbek und die Abteilung für Psychosomatische Medizin am Asklepios Westklinikum in Hamburg-Rissen.

Eine vollständige Liste der Kliniken für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie in Hamburg und Umgebung finden Sie im Therapieführer der Stadt Hamburg.

Sie können außerdem Einiges tun, um Ihre Beschwerden selbst günstig zu beeinflussen und trotz der Beschwerden aktiv zu bleiben.
Die wichtigsten Empfehlungen sind:

  • Bewältigen Sie Ihren Alltag so gut und aktiv wie möglich!
  • Bleiben (oder werden) Sie trotz und mit Ihren Beschwerden körperlich aktiv. Nehmen Sie sich kleine Schritte vor, um mit der Zeit wieder aktiver zu werden.
  • Wechseln Sie ab zwischen Phasen der Aktivität und Phasen der Entspannung. Das regelmäßige Üben einer Entspannungstechnik (z.B. Progressive Muskelentspannung, Yoga) ist hilfreich.
  • Nehmen Sie am gesellschaftlichen Leben teil! Sich mit anderen Menschen zu treffen lässt die Körperbeschwerden oft in den Hintergrund rücken.
  • Pflegen Sie ganz bewusst Ihre Kraftquellen und Ressourcen, z.B. durch Hobbies: Was tut Ihnen gut? Wo fühlen Sie sich wohl? Mit wem verbringen Sie gerne Zeit?
  • Finden Sie heraus, welche Gedanken, Verhaltensweisen und Strategien Ihre Beschwerden linden! Nutzen Sie solche hilfreichen Strategien gezielt für sich.
  • Tauschen Sie sich aus! Dies kann ein Gespräch mit nahestehenden Personen oder eine geeignete Selbsthilfegruppe sein.

Was können Freunde oder Angehörige tun?

Menschen mit unklaren körperlichen Beschwerden wird oft mit einer gewissen Skepsis begegnet. Sie sehen sich oft mit dem Vorwurf konfrontiert, sich ihre Beschwerden nur einzubilden. Dies baut zusätzlich Frustration und Unbehagen auf. 

Es ist deshalb wichtig, dass Angehörige und Freunde die Erkrankung anerkennen und für die betreffende Person da sind. Sie vollständig zu schonen, ihr alle Aufgaben und körperlichen Belastungen abzunehmen, kann den Krankheitsverlauf jedoch negativ beeinflussen. Daher kann es ratsam sein, dass Angehörige zeitweise in die therapeutische Behandlung miteinbezogen werden und sich gut über das Krankheitsbild informieren.

Rauh, E. & Rief, W. (2006). Ratgeber somatoforme Beschwerden und Krankheitsängste. Informationen für Betroffene und Angehörige. Göttingen: Hogrefe. 

Matzat, J., Jäniche, H. & Hausteiner-Wiehle, C. (2012). Patientenleitlinie „Nicht-spezifische, funktionelle und somatoforme Körperbeschwerden“. Verfügbar unter www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/051-001.html.

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Marietta B., Erfahrene mit Somatoformer Störung
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