Suizidalität

Was ist ein Suizid? Was ist Suizidalität?

Der Begriff „Suizid“ stammt aus dem Lateinischen („sui“ = „seiner“ und „caedere“ (in Zusammensetzungen „-cidere“) = „töten“, also „das Töten seiner selbst“) und bezeichnet eine absichtlich herbeigeführte Beendigung des eigenen Lebens. Umgangssprachlich werden für Suizid auch die Begriffe „Selbstmord“ oder „Freitod“ verwendet. Eine Suizidhandlung, die nicht zum Tod führt, wird Suizidversuch genannt.

Suizidalität“ umfasst alle Gedanken und Handlungen, bei denen es darum geht, den eigenen Tod anzustreben bzw. diesen als mögliches Ergebnis einer Handlung in Kauf zu nehmen. Dazu gehören suizidale Gedanken, Suizidideen und -absichten, Suizidankündigungen, Suizidversuche und Suizide.

Wie häufig kommen Suizide und Suizidversuche vor?

Weltweit stirbt etwa alle 40 Sekunden ein Mensch durch Suizid - jedes Jahr etwa 800.000 Menschen. Im Jahr 2016 lag die Suizidrate bei jährlich 10,5 Suiziden pro 100.000 Einwohnern. Männer versterben fast doppelt so häufig an Suizid wie Frauen. Die Dunkelziffer ist vermutlich deutlich höher, da nicht alle Suizide als  solche erkannt werden. Auch die Anzahl der Suizidversuche ist deutlich höher: Auf jede Person, die durch einen Suizid stirbt, kommen 10-20 Personen, die einen Suizidversuch machen.  

Die Suizidhäufigkeit in Deutschland liegt verglichen mit anderen Ländern in Europa im mittleren Bereich: Es sterben jährlich etwa 10.000 Menschen durch einen Suizid; im Jahr 2019 verstarben 9.041 Personen durch Suizid. Im Jahr 2016 lag die Suizidrate bei 9,1 Suiziden pro 100.000 Einwohnern. Ältere Menschen nehmen sich häufiger das Leben als jüngere. Es zeigen sich auch in Deutschland deutliche Unterschiede zwischen Männern und Frauen: Fast drei Viertel der an Suizid Verstorbenen waren Männer, ein Viertel waren Frauen. Bei Suizidversuchen zeigt sich ein umgekehrtes Bild: Es wird geschätzt, dass Frauen etwa dreimal so häufig wie Männer einen Suizidversuch unternehmen. Schätzungen gehen insgesamt von über 100.000 Suizidversuchen pro Jahr in Deutschland aus.

Wie häufig kommen Suizidgedanken vor?

Eine Schätzung vorzunehmen ist schwer möglich. Gedanken über das Leben und den Tod gehören zum Menschsein dazu. Die meisten Menschen haben im Laufe ihres Lebens schon einmal einen Ruhe- oder Todeswunsch verspürt oder an die Möglichkeit eines Suizids gedacht, ohne dass sie die Absicht hatten, sich das Leben zu nehmen. Konkrete Suizidideen unterscheiden sich hiervon: Sie beinhalten den Wunsch des eigenen Sterbens. Äußert jemand eine Suizidabsicht, geht dies noch einen Schritt weiter: Dies können Vorankündigungen sein, häufig besteht bereits eine konkrete Planung eines Suizidversuchs.

Wenn Suizidgedanken vorliegen, können diese von Person zu Person und auch von Zeit zu Zeit stark in der Häufigkeit, Dauer und Intensität schwanken.  

Was sind Ursachen für Suizidalität?

Die Gründe, warum ein Mensch sich das Leben nimmt, sind sehr unterschiedlich. Die meisten Erklärungssätze zu Suizidalität gehen davon aus, dass mehrere Faktoren zusammenwirken: Dazu gehören genetische und biologische Faktoren (z.B. Stoffwechselveränderungen im Gehirn), psychosoziale Faktoren (z.B. fehlendes Zugehörigkeitserleben, das Gefühl, für andere eine Last zu sein, Furchtlosigkeit vor Schmerz, Sterben und Tod), gesellschaftliche Faktoren (z.B. Integration in die Gesellschaft, Art der Medienberichte über Suizidalität) und belastende Lebensereignisse (siehe „Welche Situationen erfordern besondere Aufmerksamkeit?“).

Welche Risiko- und Schutzfaktoren gibt es?

Wissenschaftliche Studien belegen wichtige Faktoren, die im Zusammenhang mit Suizidalität stehen: Liegen sogenannte Risikofaktoren vor, tritt Suizidalität häufiger auf, bei schützenden Faktoren ist sie seltener. Dabei ist zu beachten, dass vorhandene Risikofaktoren das Auftreten eines Suizidversuchs für den Einzelfall nicht vorhersagen können. Weist eine Person viele Risikofaktoren auf, so bedeutet das daher nicht, dass sie sich das Leben nehmen wird, sondern dass sie ein höheres Risiko dafür hat, als Menschen mit weniger Risikofaktoren.

Zu den Risikofaktoren für Suizidalität  gehören:

  • Suizidversuche in der Vergangenheit
  • psychische Erkrankungen, einschließlich depressiver und manisch-depressiver Störungen und Persönlichkeitsstörungen
  • schädlicher Konsum von Alkohol oder anderen Drogen
  • außergewöhnlich belastende Erlebnisse (z.B. Folter) bzw. außergewöhnlich belastende Erlebnisse in der Kindheit (z.B. körperliche Gewalt, sexueller oder emotionaler Missbrauch, Vernachlässigung, Heimunterbringung)
  • Arbeitsplatzverlust; finanzielle Probleme
  • Hoffnungslosigkeit
  • chronische Schmerzen
  • Suizide in der Familie
  • genetische und biologische Faktoren (z.B. Stoffwechselveränderungen im Gehirn)
  • impulsive oder aggressive Persönlichkeit
  • soziale Isolation und fehlende soziale Unterstützung
  • Beziehungskonflikte und Beziehungsverluste
  • Zugang zu tödlichen Mitteln und Methoden
  • Nicht nach Hilfe fragen (z.B. aufgrund von Stigmatisierung von Suizidalität).

Zu den schützenden Faktoren vor Suizidalität gehören:

  • Pflege und Aufbau gesunder, enger zwischenmenschlicher Beziehungen
  • Zugang zu Gesundheitsvorsorge und Unterstützung
  • Problemlösefähigkeiten (z.B. die Fähigkeit geeignete Hilfe aufzusuchen, wenn dies erforderlich ist)
  • Bewältigungsstrategien (z.B. ein hilfreicher Umgang mit Belastungen oder Krisensituationen)
  • emotionale Stabilität
  • stabiles und gutes Selbstwertgefühl
  • positive Selbstwirksamkeitserwartung
  • optimistische Zukunftseinstellung.

Welche Warnsignale und Anzeichen gibt es?

Menschen, die einen Suizidversuch machen, zeigen vorher oft Anzeichen für Suizidalität oder kündigen den Suizidversuch an.

Warnsignale für einen Suizidversuch können sein: 

  • Äußerung von Todeswünschen wie z.B. „Ich wünschte, ich wäre nicht mehr da.“
  • Abwenden vom Freundeskreis und der Familie
  • mangelndes Interesse an Aktivitäten, die der Person sonst Freude bereitet haben
  • Hoffnungslosigkeit
  • Ausdruck von Ärger oder Rache
  • neu auftretender oder steigender Konsum von Alkohol oder anderen Drogen
  • steigendes Risikoverhalten, z.B. unvorsichtiges Fahren, ungeschützter Geschlechtsverkehr
  • Beschäftigung mit Tod und Sterben, Recherchieren von Suizidmethoden
  • Abschließen mit dem Leben: z.B. wichtige, persönliche Dinge verschenken, Testament aufsetzen, persönliche Angelegenheiten klären, Abschiedsbriefe verfassen
  • Vernachlässigung der Körperpflege
  • Schlafstörungen, verminderter Appetit, Gewichtsverlust
  • Abbrechen von bestehender Behandlung (z.B. einer Psychotherapie)
  • starke Veränderungen in der Stimmung: Plötzliche extreme Freude oder Gelassenheit nach einer langen Zeit von Niedergeschlagenheit kann ein Hinweis darauf sein, dass eine Person die Entscheidung getroffen hat, sich das Leben zu nehmen.

Auch wenn viele Menschen einige dieser Verhaltensweisen im Laufe ihres Lebens zeigen ohne suizidal zu sein, ist es besser, auf Warnzeichen zu reagieren und mit der Person zu sprechen.  

Welche Situationen erfordern besondere Achtsamkeit?

Belastende, manchmal unerwartete Lebensereignisse können dazu führen, dass eine Person plötzlich in eine Krise gerät. Beispiele für solche Ereignisse sind

  • ein Streit mit einer nahestehenden Person
  • der Beginn oder das Wiederauftreten einer ernsthaften Erkrankung (z.B. Krebs)
  • der Tod einer nahestehenden oder bewunderten Person
  • Nebenwirkungen von Medikamenten
  • der wahrgenommene Verlust von Status und Respekt, z.B. durch einen Arbeitsplatzverlust.

Was kann ich bei Suizidgedanken tun?

Wie Sie konkret mit Suizidgedanken umgehen können, hängt natürlich davon ab, wie stark die Gedanken sind. Generell gilt: Es ist wichtig, die Gedanken ernst zu nehmen und über die Gedanken zu sprechen, sich also einer Vertrauensperson anzuvertrauen – das kann auch die Telefonseelsorge,  ein Krisendienst, die Hausärztin oder ein Psychotherapeut sein – und sich Unterstützung zu suchen. Sprechen Sie Ihre Suizidgedanken möglichst direkt an – so dass die andere Person weiß, wie ernst die Lage ist. In einer suizidalen Krise passiert es leicht, dass vorhandene Hilfemöglichkeiten übersehen werden, weil der Blick eingeschränkt ist. Es gibt viele verschiedene Angebote, die bei Suizidgedanken helfen können.

Akute Suizidgedanken

Wenn Sie drängende Suizidgedanken haben, gilt es auf keinen Fall alleine zu bleiben und sich sofort Unterstützung zu rufen, entweder von einer Vertrauensperson aus dem persönlichen Umfeld oder professionelle Unterstützung: Hier finden Sie entsprechende Telefonnummern.

Suizidalität als Tabu

Suizidgedanken werden nach wir vor häufig als Tabuthema angesehen. Dieses Tabu kann Menschen in suizidalen Krisen davon abhalten, sich anderen anzuvertrauen – vielleicht aus Scham oder Schuldgefühlen über die eigenen Gedanken oder aus Angst, nicht verstanden zu werden oder das Umfeld zu überfordern. Suizidgedanken sind nichts, wofür man sich schämen sollte – sie können als eine Reaktion auf eine Krise gesehen werden. Ignorieren oder Verheimlichen von Suizidgedanken hilft meistens nur kurzfristig, weil das dahinterstehende Problem nicht gelöst wird. Wenn man im Umfeld niemanden hat, mit dem man über seine Gedanken sprechen kann, gibt es Menschen, denen man sich anvertrauen kann, z.B. Hausarzt, Psychotherapeutin und auch telefonische Beratungsangebote, die anonym und kostenlos zur Verfügung stehen.

Welche Behandlungsmöglichkeiten von Suizidalität gibt es?

Menschen in einer suizidalen Krise kann geholfen werden. Die meisten Menschen, die versucht haben, sich das Leben zu nehmen, sind im Nachhinein froh, überlebt zu haben. Bei Hilfsangeboten unterschiedet man zwischen akutem Krisenmanagement und einer längerfristigen Behandlung. Sollte die suizidale Krise im Rahmen einer psychischen Erkrankung auftreten, stehen neben psychotherapeutischen Verfahren auch medikamentöse Ansätze (z.B. Lithium oder Antidepressiva) zur Verfügung.

Was können Freunde und Angehörige tun?

Wenn Sie jemanden kennen, der Suizidgedanken hat, ist es wichtig, die Äußerungen ernst zu nehmen, mit der Person zu sprechen und ihr offen und in Ruhe zu zuhören, ohne zu werten, auch wenn das den meisten Menschen nicht leicht fällt. Oft stellt sich ein Gefühl von Hilflosigkeit ein, wenn ein anderer Mensch Suizidgedanken äußert. Es können auch Gefühle wie Wut oder Schuld entstehen. Es ist wichtig, die Person zu ermutigen, Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Links zu Angeboten sind hier zu finden.

Wenn Sie jemanden kennen, der ein akutes Suizidrisiko aufweist, begleiten Sie diese Person entweder sofort in eine Klinik, rufen Sie den Notarzt unter 112 oder die Polizei unter 110. Es ist in so einer Situation besonders wichtig und notwendig, die betroffene Person nicht alleine zu lassen. Wenn es Ihnen selbst zu viel wird, holen Sie sich zusätzliche Unterstützung.

Wie kann man mit einem Suizid umgehen?

Man schätzt, dass im engen Familienkreis fünf bis acht Angehörige, im weiteren Verwandten-, Freundes- und Bekanntenkreis insgesamt bis zu 80 Personen von einem Suizid betroffen sein können. Menschen, die vom Suizid einer nahestehenden Person betroffen sind, spüren oft neben Trauer und Schmerz über den Verlust auch ein Gefühlswirrwarr aus Schuld- und Schamgefühlen, Hilflosigkeit, Angst sowie Wut auf sich selbst und auf die verstorbene Person. Jemanden Vertrautes durch Suizid zu verlieren, überfordert sehr viele Menschen. Eine professionelle Begleitung und auch Selbsthilfegruppen können helfen.

  • Webseite der Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention – Hilfe in Lebenskrisen e.V. (DGS): https://www.suizidprophylaxe.de/ Die DGS, die die Webseite betreibt, ist ein gemeinnütziger Verein und versteht sich als eine interdisziplinäre Fachgesellschaft.
  • Webseite für betroffene Jugendliche: http://www.u25-deutschland.de/ „[U25]“ ist ein Online-Beratungsangebot für suizidgefährdete Jugendliche. Die Beratung erfolgt von speziell ausgebildeten Gleichaltrigen („Peers“), die zwischen 16 und 25 Jahre alt sind.  [U25] wurde 2001 vom „Arbeitskreis Leben Freiburg“ entwickelt, wird seit 2012 gemeinsam mit dem „Deutschen Caritasverband“ angeboten und vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend  gefördert.
  • Webseite für Betroffene und Angehörige aus Österreich: https://www.gesundheit.gv.at/leben/suizidpraevention/inhalt Die Webseite wird vom österreichischen Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz unterhalten und betrieben.
  • Webseite für Betroffene und Angehörige aus der Schweiz: https://www.suizidpraevention-zh.ch/ Die Webseite wurde im Auftrag der Gesundheitsdirektion von „Prävention und Gesundheitsförderung Kanton Zürich“ erstellt und wird von „Prävention und Gesundheitsförderung Kanton Zürich“ unterhalten und betrieben.
  • Webseite für Trauernde, die einen nahe stehenden Menschen durch Suizid verloren haben: https://www.agus-selbsthilfe.de/. „AGUS – Angehörige um Suizid e.V.“ ist eine Selbsthilfeorganisation, die bundesweit regionale Selbsthilfegruppen fördert und betroffene Personen untereinander vernetzt.
  • Webseite des "VEID - Bundesverband Verwaiste Eltern und trauernde Geschwister in Deutschland e.V." Die Webseite stellt Hilfe und Unterstützung für Trauernde, die mit dem Tod eines Kindes - gleich welchen Alters - leben müssen und informiert über Angebote sowie das Thema Trauer. https://www.veid.de/

Schnelle Hilfe in akuten Krisen

Soforthilfe

Präventionsprogramm "8-Leben" wieder verfügbar!

Das Suizidpräventionsprogramm "8-Leben" ist wieder für Interessierte und Betroffene verfügbar. Das Programm enthält u.a. Video-Erfahrungsberichte, Informationsmaterial und individuell auf die Teilnehmenden angepasste Bereiche mit verschiedenen Strategien zum Umgang mit Suizidalität.

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